‹I sent you something by email last night…›

What are we waiting for, assembled in the forum? The barbarians are to arrive today. [...]

Why have our two consuls and the praetors come out
today in their red, embroidered togas;
why do they wear amethyst-studded bracelets, and rings with brilliant, glittering emeralds; why are they carrying costly canes today, wonderfully carved with silver and gold?

Because the barbarians are to arrive today, and such things dazzle the barbarians.

Why don't the worthy orators come as always to make their speeches, to have their say?

Because the barbarians are to arrive today; and they get bored with eloquence and orations.

Why all of a sudden this unrest
and confusion. (How solemn the faces have become).
Why are the streets and squares clearing quickly, and all return to their homes, so deep in thought?

Because night is here but the barbarians have not come.
And some people arrived from the borders,
and said that there are no longer any barbarians.

And now what shall become of us without any barbarians?
Those people were some kind of solution.

Waiting for the Barbarians, poem by: Constantine P. Cafavy, 1904; translated by: George Barbanis

‹Gewöhnlich wird alles als Barbarei bezeichnet, was ungewohnt ist. Eigentlich lassen wir ja als richtig und vernünftig nur das gelten, was in dem Lande, wo wir sind, vor kommt und was zu den hier üblichen Anschauungen und Gebräuchen paßt.›
‹Die Eingeborenen in jener neuen Welt (haben) nichts Barbarisches oder Wildes an sich, oder doch nur insofern, als jeder das Barbarei nennt, was bei ihm ungebräuchlich ist.›

Michael Montaigne: Über die Barbarei

Vierter Brief:
‹Der Mensch kann sich aber auf eine doppelte Weise entgegengesetzt sein: entweder als Wilder, wenn seine Gefühle über seine Grundsätze herrschen; oder als Barbar, wenn seine Grundsätze seine Gefühle zerstören. Der Wilde verachtet die Kunst und erkennt die Natur als seinen unumschränkten Gebieter; der Barbar verspottet und entehrt die Natur, aber, verächtlicher als der Wilde, fährt er häufig genug fort, der Sklave seines Sklaven zu sein. Der gebildete Mensch macht die Natur zu seinem Freund und ehrt ihre Freiheit, indem er bloß ihre Willkür zügelt.› (S. 19)

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Suhrkamp, 2009

‹Dieser Erfahrungsarmut ist Armut nicht nur an privaten sondern an Menschheitserfahrungen überhaupt. Und damit eine Art von neuem Barbarentum. Barbarentum? In der Tat. Wir sagen es, um einen neuen, positiven Begriff des Barbarentums einzuführen. Denn wohin bringt die Armut an Erfahrung den Barabaren? Sie bringt ihn dahin, von vorn zu beginnen; von Neuem anzufangen; mit Wenigem auszukommen; aus Wenigem heraus zu konstruieren und dabei weder rechts noch links zu blicken.› (215)

Benjamin: Erfahrung und Armut (1932), GS II.I, S.213f.

‹Besonders fielen dem Japaner am weißen Mann die Größe und die Gesichts- und Kopfbehaarung auf. So stellt er ihn doppelt so groß dar wie sich selbst, und der Haarwuchs brachte den Weißen den Schimpfnamen Ke-tojin (»haarige Barbaren«) ein.› (S. 65)

Julius Lips: Der weiße Mann im Spiegel des Farbigen, org.: The Savage hits back (1937), Seeman Verlag, Leipzip, 1983.)

‹Nach Ausschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.›

Adorno

‹Es ist, als ob eine globale, durchgängig verwebte zivilisatorische Welt Barbaren aus sich selbst heraus produzierte, indem sie in einem inneren Zersetzungsprozeß ungezählte Millionen von Menschen in Lebensumstände stößt, die essentiell die gleichen sind wie die wilder Volksstämme oder außerhalb aller Zivilisation lebender Barbaren.›

Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 1986

‹Die bedeutsamste Eigenschaft der modernen Barbarei ist in ihrer auf Prinzipien begründeten ideologischen Dimension zu finden. Die Barbarei legitimiert sich in Form einer verabsolutierenden, totalen Exklusion einiger Teile einer Bevölkerung, welche zuvor mit denjenigen, die nun die Exklusion betreiben, einen gemeinsamen Rahmen gebildet hatten, die nu aber als ‘vollkommen anders’ definiert und von jeglicher Kategorie des Menschlichen ausgeschlossen werden.› (96)

Shmuel N. Eisenstadt: Barbarei und Moderne (1996 oder 94); in: Max Miller/ Hans-Gerorg Soeffner (Hg.): Modernität und Barbarei, Sammelband, Suhrkamp, 1996

‹Die Differenz zwischen dem kontrollierten und dem unkontrollierten Raum bezeichnet nichts anderes, als die zwischen Zivlität und Barbarei. Im Reich der Zivilität wird Zwang – idealerweise – niemals überraschend und von unerwarteter Seite ausgeübt; er läßt sich rationale vorherberechnen, kann zur ‘bekannten Notwendigkeit’ werden, die man gar, Hegel folgend, als Freiheit feiern mag… Im Reich der Barbarei ist der Zwang, der hier als ‘Gewalt’ bezeichnet wird, hingegen diffus, verstreut, regellos und daher unvorhersehbar und lähmend.›(41)

Zygmunt Baumann: Gewalt – modern und postmodern (36-67) (1996); in: Max Miller/ Hans-Gerorg Soeffner (Hg.): Modernität und Barbarei, Suhrkamp, 1996

‹Nach 9/11 bemühten sich die U.S.A. ‹um die Unterstützung für eine militärische Aktion› im Irak. Aber als klar war, daß die USA nur vier von fünfzehn Stimmen für eine entsprechenden Resolution bekommen würden, zogen sie ihren Resolutionsvorschlag zurück und entschieden sich dafür, auf eigene Faust, ohne eine Legitimierung durch die UNO, zu handeln. […] Auf welcher Grundlage welchen Rechts übernahmen die USA die Gerichtsbarkeit auf diesem Gebiet, vor allem, da eine große Anzahl von Ländern der Welt diese Handlungsweise offen ablehnte?› (33/34)

Immanuel Wallerstein: Die Barbarei der anderen, Berlin: Wagenbach, 2006

‹Aber, das uns gegenwärtig Verunsichernde ist, ›dass sich wenigstens teilweise der Terror moralisch legitimiert. Die Botschaften von Bin Laden präsentieren den Terror als die Antwort der machtlosen und unterdrückten Völker auf den Hochmut der Mächtigen, als die gerechte Strafe für ihre Anmaßung und für ihre gotteslästerliche Selbstherrlichkeit uns Grausamkeit› [Ratzinger]. Da kann man schon n Zweifel kommen, ob es sich um böse Taten handelt.›
›Wen wollen sie treffen, die Terroristen? Es sind nicht die Menschen. Die sind den Terroristen egal. Sie wollen einen Anonymus treffen […]. Darum gehen die Terroristen […] eine Komplizenschaft mit den Massenmedien ein.›

Detlef Horster, ›Das Böse neu denken›, Delbrück Wissenschaft, Weilerswist 2006, Einleitung des Herausgebers:

‹Der Text ‹Die Verwaltung der Barberei› beschreibt die Kampfstrategie von al-Quaida, die darin besteht, den Feind auszubluten. […] Das Buch benennt als Ziel des Kampfes: Wenn alles in vollständiger Anarchie (Barberei) versinkt, werden die Islamisten als rodende Kraft einziehen können und als Retter fungieren. So sollen sie zum Beispiel Lebensmittel verteilen oder für Sicherheit sorgen. Das Chaos soll gezielt geschaffen werden. Dies wird vor allem in einigen Pilotstaaten, wie Saudi-Arabien oder Nigeria, anvisiert. Bei der Auswahl der Pilotstaaten spielt die Schwäche des Staates, seine geografische Position und das Vorhandensein von islamistischen Gruppierungen eine Rolle. Die Gruppierungen sollen wirtschaftlich wichtige Institutionen und Orte wie touristische Zentren, Banken und Ölraffinerien angreifen. Der ohnehin schwache Staat soll zu einem überhöhten Einsatz von Sicherheitskräften und einer Überdehnung seines Sicherheitsnetzes gezwungen werden. Damit werden die Ressourcen des Staates zusätzlich belastet. Der Staat blutet wirtschaftlich und moralisch regelrecht aus. Daraus entsteht eine unsichere Lage. Es wird ebenso beschrieben, wie Ausländer Entwürfe werden und wie feindliche Sicherheitsapparate unterwandert werden sollen. Auch eine gezielte Eliminierung widerständiger Intellektueller und Journalisten wird empfohlen. Die Jugend soll nachdrücklich durch Medienkampagnen angeworben werden.›

Marwan AbouTam und Ruth Bigalke (Hrgs.): ›Die Reden des Osama Bin Laden›, Hugendubel, München 2006

‹Die Liebe zum Fremden als Element des kulturellen Primitivismus ist als eskapistische Revolte gegen das Vertraute gedeutet worden. Das Exotische wurde zum paradoxen Erlebnis des Vorstellbaren und dennoch Unglaublichen, als Verwirklichung des Irrealen in der Gegenwart. Selbst wenn es als fiktiv erkannt wurde, fesselte es die Menschen.›
‹Die Postmoderne schien sich für radikale Postkolonialisten nicht hinreichend mit dem Postkolonialismus verbündet zu haben, obwohl bei de etwa zur gleichen Zeit entstanden. Es wurde unterstellt, dass die Postmoderne ›dem Anderen› Raum gibt, aber dadurch verweigert ›der Gleiche› zu sein. Ferner wurde der Postmoderne eine solche hegemoniale Stellung vorgeworfen, dass sie – gegen ihre ursprüngliche Intention – einen neuen internationalen Stil hervorbrachte.›

Klaus von Beyme: ›Die Faszination des Exotischen. Exotismus, Rassismus und Sexismus in der Kunst›, Fink, München 2008

‹Die Instabilität der Dichotomie zwischen Kultur und Barbarei […] eröffnet [] einen Spielraum, der die kreative und kritische Aneignung der fluktuierenden Begrifflichkeit erlaubt. Dieser Spielraum wird vor allem in Literatur, Kunst und Film genutzt, um subversive Formen des Barbarischen auszuprägen. Doch auch im Bereich der Theoriebildung kommt er zur Geltung, bietet er doch die Möglichkeit, den Begriff des Barbarischen in ein Instrument der kritischen Reflexion zu transformieren.› (18)

Christian Moser/Daniel Wendt: Das Barbarische – Ein Grenzbegriff der Kultur (7-27); in: dies. et al. (Hg.): Texturen des Barbarischen. Exemplarische Studien zu einem Grenzbegriff der Kultur, Heidelberg: Synchron, 2014

‹Meiner Generation haben sowohl die arabischen Nationalisten als auch die Islamisten erklärt, wir sollten die Bollwerke erklimmen, um die arabische Welt› gegen die Barbaren (Imperialisten, Zionisten, Kreuzzügler, Sowjets) zu verteidigen. Wir ahnten nicht, dass sich die Barbaren bereits innerhalb unserer Tore breitgemacht hatten, dass sie unsere eigene Sprache sprechen und sich in der Stadt bereits sehr gut verschanzt hatten.›

Hisham Melhem: „die barbaren sind unter uns›, Dez. 2014

‹Dennoch muss man sich darüber bewusst sein – und das ist der Ausgangspunkt für die Geisteshaltung, von der ich spreche, – dass er unvermeidbare Affekt [im Form gefühlsbestimmter Reaktion] in derartigen tragischen Umständen Risiken birgt […]. Ich sehe drei Hauptrisiken, denen wir nach diesem Drama ausgesetzt sein werden, wenn nun Trauma und Affekt ungeteilt dominieren. Das erste Risiko ist, den Staat unnötige und inakzeptable Maßnahmen ergreifen zu lassen, Maßnahmen, die in Wirklichkeit seinem eigenen Gewinn dienen. Der Staat steht plötzlich im Vordergrund und er befindet sich – oder glaubt sich zu befinden – in der Funktion eines symbolischen Repräsentanten, als Garant der Einheit der Nation. […] Das zweite Risiko […] ist das Erstarken von Identitäten Regungen. […] Als ob ein Trauma automatisch auf eine Identität verweist. […] Wovon spricht man [aber] heute, wenn man von ›Frankreich›, von den ›Franzosen› spricht? […] man sollte sich daran erinnern, dass solche schrecklichen Massenmorde an anderen Orten jeden Tag passierten und noch passieren.›
‹Ich denke, es ist eine essenzielle Aufgabe des Rechts, den Raum des öffentlichen Affekts so weit wie möglich zu erweitern, gegen dessen identitätsbedingte Einschränkung zu kämpfen, daran zu erinnern und sich dessen bewusst zu sein, dass der Raum des Unglücks letztlich ein Raum ist, dem wir uns im Maßstab der ganzen Menschheit stellen müssen, und dass wir ihn nie auf Verlautbarungen verkleinern dürfen, die diesen Raum auf die Dimension der eigenen Identität beschränken. […] Diese Idee, dass in einem Unglücksfall nur die Identität der Opfer zählt, ist eine sehr gefährliche Annahme. Denn diese Idee verwandelt Gerechtigkeit in Rache.›
‹Vor diesem Hintergrund machen mir ein paar Dinge Sorge, die nach dem 13. November wie Selbstverständlichkeiten begrüßt wurden. Zum Beispiel die Erklärung Obamas. Sie wirkte wie nichts Besonderes, diese Erklärung. Sie besagte, dass dieses schreckliche Verbrechen nicht ein Verbrechen eggen Frankreich, gegen Paris war, sondern gegen die gesamte Menschheit. […] Aber Präsident Obama erklärt das nicht jedes Mal, wenn ein Massenmord dieses Ausmaßes geschieht. […] In Wahrheit möchte uns Obama daran erinnern, dass die Menschheit für ihn zuallererst eins ist mir dem guten alten Okzident. Dass man auch sagen könnte: Menschheit = Okzident. Das hören wir als Basso continuo in allen offiziellen und politischen Erklärungen. Eine Form dieses inakzeptablen identitätsbezogenen Dünkels ist die Form, auf die ich noch zurückkommen werden, nämlich der Gegensatz zwischen Barbaren und Zivilisierten. Vom Standpunkt der elementarsten Gerechtigkeit aus gesehen ist es skandalös, zu implizieren, auch nur indirekt, dass einige Teile der Menschheit menschlicher seien als andere. Ich fürchte, genau dies ist in unserem Zusammenhang geschehen, und es geschieht weiterhin.›
‹Dies ist […] ein Erbe des kolonialen Imperialismus, ein Erbe dessen, war wir Okzident nennen, der fortschrittlichen, zivilisierten, demokratischen Länder: die Angewohnheit, sich selbst als Repräsentant der gesamten Menschheit und die gesamte Menschheit in uns repräsentiert zu sehen.›
‹Um den drei beschriebenen Gefahren etwas entgegenzusetzen, muss es uns gelingen, das, was geschehen ist, zu denken. […] Die Kategorie des Undenkbaren darf es für uns nicht geben. […] Etwas als undenkbar zu beschreiben, ist für den Verstand immer eine Niederlage, und eine Niederlage des Verstandes ist immer ein Sieg für irrationale, kriminelle Verhaltensweisen.›

Alain Badiou: Auszüge aus Alain Badiou’s Vorlesung zehn Tage nach den Pariser Terroranschlag vom 13. November 2015, in: theater der zeit, Januar 2016, übersetzt aus dem Französischen von Lena Schneider und Isabelle Vodoz

‹Die Dschihadisten des IS haben in Palmyra den syrischen Archäologen Khaled Asaad ermordet. Der 82-Jährige hatte ein halbes Jahrhundert lang die Ruinenstadt erforscht.›

‹Denn für die Barbaren des IS ist alle Kultur, die nicht islamisch ist, automatisch Dienst an Götzen und damit Apostasie.›

Rainer Herrmann: Ein bestialischer Mord - FAZ, 19.08.2015

‹Frankreich hat ja beispielsweise Rakka bombardiert. Das ist eine Stadt, in der 200.000 Menschen leben und ich glaube, es ist nicht aus der Luft gegriffen, zu sagen, dass die Bombardierungen Frankreichs in den vergangenen zwei Wochen vermutlich mehr Frauen und Kinder in Syrien getötet haben, als die barbarischen Terroristen in Paris. Das ist eine Gewaltspirale, aus der wir raus müssen. Wir sind doch nicht mehr im Zeitalter ›Zahn um Zahn›, woman Barbarei durch neue Barbarei rächen muss.›

Sahra Wagenknecht zum Syrieneinsatz: ›Dieser Krieg ist verantwortungslos›, Dienstag, 01. Dezember 2015, N-tv

‹Mr. Hollande vowed to ›be unforgiving with the barbarians from Daesh,› adding that France would act within the law but with ›all the necessary means, and on all terrains, inside and outside, in coordination with our allies, who are, themselves, targeted by this terrorist threat.›

Adam Nossiter et al., 14.11.2015, New York Times

Douglas Murray: The Paris attacks show that barbarians are inside the gate.

Mark Steyn : The Barbarians Are Inside, And There Are No Gates, November 13, 2015

‹Italien weint um die Opfer von Paris und ist vereint im Schmerz mit den französischen Brüdern. Das ins Herz getroffene Europa wird auf diese Barbarei zu reagieren wissen.›

Matteo Renzi, Ministerpräsident von Italien, Reaktion auf die Anschlägen in Paris 13.11.2015

‹Those who we mourn were murdered in front of cafes, in restaurants, in a concert hall or on the open street. They wanted to live the life of free people in a city that celebrates life,› she said, her voice breaking. ›And they met with murderers who hate this life of freedom.›

Merkel, Bundeskanzlerin von Deutschland, Reaktion auf die Anschlägen in Paris 13.11.2015

‹There is no justification for such things, neither religious nor human, this is not human,› Francis said in a telephone call to TV2000, the television station of the Italian Episcopal Conference.

Pope Francis, Reaction to the attacks in Paris, 13.11.2015

‹This is an attack not just on Paris. It's an attack not just on the people of France. But this is an attack on all of humanity and the universal values we share›

Barack Obama, Reaction to the attacks in Paris, 13.11.2015

‹Das Problem mit übermäßig vielen Fremden, die entweder keine Staatsbürger sind, etwa die Staatenlosen im Frankreich der 30er- Jahre, oder sich nicht als solche fühlen, läßt eine Konkurrenz zwischen Rechtsstaat und unsichtbarem Polizeistaat entstehen. Globale Organisationen glauben, mit einem Hinweis auf die Menschenrechte diese Gefahr eindämmen zu können, aber sie irren gewaltig. Die Menschenrechte sind immer nur eine Schwundform der Staatsbürgerrechte. Der konservative Denker Edmund Burke hat sie deshalb zu Recht als „sinnlose Abstraktion› bezeichnet, weil sie den Menschen in den Naturzustand zurückverfallen lassen. Entgegen linker Vorstellungen ist dieser kein Paradies. Er beruht vielmehr auf dem grausamen Gesetz des Rechts des Stärkeren. Wer sich nur auf seine Menschenrechte berufen kann, ist diesem Kampf ausgeliefert.

Indem Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland und globale Institutionen die Menschenrechte an erste Stelle setzen, sorgen sie gerade dafür, die Barbaren der Zukunft zu produzieren. Der Wunsch, Mitmenschlichkeit zu demonstrieren, läuft ins Leere, da eine Masse von Flüchtlingen bzw. Fremden an keinem Ort der Welt einfach so sozial und kulturell binnen kürzester Zeit integriert werden kann. „Es ist, als ob eine globale, durchgängig verwebte zivilisatorische Welt Barbaren aus sich selbst heraus produzierte, indem sie in einem inneren Zersetzungsprozeß ungezählte Millionen von Menschen in Lebensumstände stößt, die essentiell die gleichen sind wie die wilder Volksstämme oder außerhalb aller Zivilisation lebender Barbaren.› Das Szenario, das Arendt hier beschreibt, will Europa zwar überwunden haben, aber es hat dabei etwas vergessen:

Die Grenze ist eine dauernde Mahnung an die Begrenztheit der Macht des Menschen. Jede Zivilisation noch hat die Neigung gehabt, diese Mahnung zu überhören und diese Grenzen zu überschreiten. Wenn es ihr gelingt, den dunklen Hintergrund des rätselhaft Gegebenen auszuscheiden oder zu reduzieren und die unendliche, natürliche Differenziertheit einzuebnen, so endet sie in den bekannten Formen der Versteinerung, wenn nicht die Barbarenstämme, die sie nicht mehr assimilieren kann, sie überrennen und eine neue Herrschaft aufrichten. Das sind die Strafen dafür, daß Menschen vergessen, daß sie vielleicht die Herren der Welt, aber niemals ihre Schöpfer sind.›

Felix Menzel: ›Die andere Hannah Arendt II› (05.11.2011), Artikel auf ›Blaue Narzisse›

‹Der Ausschluss von Flüchtlingen aus der „Familie der Nationen› ist bedingt durch ein System von souveränen Nationalstaaten, das sich weltweit etabliert hat. Seit der Emanzipation der Menschheit können weder Gott noch die Natur als gültige Rechtsquellen angesehen werden, schreibt Arendt. Der Nationalstaat nimmt stattdessen diese Aufgaben wahr. Er kann über Zugehörigkeit bestimmen und garantiert seinen Mitgliedern, als Souverän, gewisse Rechte. Er verfügt jedoch ebenso über die Macht, anderen das Recht nicht zuzugestehen. Mit dem Begriff „nationalstaatliche Souveränität› gibt es jedoch für Arendt gleich zweierlei Probleme. Zum einen sieht sie den Staat, der Gleichheit unter seinen Mitgliedern garantieren sollte, diese Funktion verlieren, sobald er zum Nationalstaat wird. Das würde bedeuten, dass das Zugehörigkeitskriterium kein politisches mehr ist, sondern durch die Hervorhebung der Nation ein ethnisches werden würde. Damit wäre die zuvor garantierte Gleichheit aufgehoben (vgl. Cohen 2007). Zum anderen stößt sich Hannah Arendt an dem Konzept von Souveränität. Sie hielt den ganzen Diskurs darüber für antipolitisch. Genauso wie Nationalität schaltet Souveränität Pluralismus aus und zielt nur auf Kontrolle und Machtansprüche ab.›
‹Die Menschenrechte bieten zwar ein Recht auf Emigration, aber können in dem bestehenden Gefüge kein Recht auf Immigration bieten. Benhabib ist der Meinung, dass jedoch in demokratischen Staaten niemandem auf Dauer Bürgerrechte verwehrt werden dürfen. Die Staaten dürften zwar die Kriterien für die Einbürgerung aufstellen, aber sie müssen unbedingt eine Zugehörigkeit garantieren (vgl. Benhabib 2009: 134). Es ist also eine Herausforderung der heutigen Zeit die Möglichkeit der Aufnahme von Flüchtlingen und die Einbindung in die demokratische Gesellschaft in einem modernen Staatengefüge gerecht zu regeln.›

Ngoc Huyen Vu Thi, Lena Herzog (2013): ›Über die Grenzen der Menschenrechte. An welche Grenzen geraten universelle Menschen- rechte in einem System national- staatlicher Souveränität?›

you've got barbarians